Ich stand in Omas Weihnachtspullover vor dem Kino, meine übergroße Brille beschlug vor Nervosität. Meine Verabredung war bereits zu spät; die Demütigung nagte an meinem Stolz. Ich wusste nicht, dass der heutige Abend mein Leben verändern würde – nur nicht so, wie ich es mir erhofft hatte.
Ich stand vor dem Kino, so gut gekleidet, wie es mir möglich war. Großmutters Weihnachtspulli lag eng an mir an und die kratzende Wolle kratzte sanft an meiner Haut.
Meine übergroße runde Brille rutschte mir alle paar Sekunden die Nase herunter und ich schob sie nervös wieder hoch.
Mein Strickbeutel, schwer vor Angst, drückte gegen meine Seite, als wollte er mich beruhigen.
Ich schaute wieder auf meine Uhr. Zehn Minuten zu spät. Der Film hatte bereits ohne uns begonnen.
Jede Minute, die verging, bohrte ein Messer tiefer in meinen Stolz, sodass sich mein Magen hohl anfühlte.
Es war nicht das erste Mal, dass mich jemand aus dem Internet versetzt hatte.
Aber jede Enttäuschung fühlte sich frisch und scharf an, als würde ich barfuß auf Glasscherben treten.
In meinem Kopf spielten peinliche Gedanken.
Vielleicht war er aufgetaucht, hatte einen kurzen Blick auf mich geworfen und sich dann entsetzt abgewandt.
Vielleicht war er irgendwo in der Nähe, versteckte sich in den Schatten und war erleichtert, dass er nicht zwei unangenehme Stunden neben einem Mädchen wie mir verbringen musste.
Der Gedanke brannte mir auf den Wangen und ließ sie sogar in der kühlen Abendluft rot werden.
Schließlich atmete ich tief durch und ging allein hinein. Das Theater war dunkel, und diese Dunkelheit fühlte sich beruhigend an.
Hier konnte ich leise weinen, ohne dass es jemand bemerkte.
Die Tränen kamen schnell, stille Flüsse, die mein Gesicht hinunterliefen und den kratzenden Kragen von Omas Pullover durchnässten.
Auf der Leinwand lachten die Figuren, stritten und verliebten sich, aber ich konnte mich nur auf den leeren Sitz neben mir konzentrieren, der meine Einsamkeit verspottete.
Als der Film zu Ende war, schlurfte ich mit geschwollenen Augen und beschlagener Brille langsam hinaus und hoffte, unsichtbar zu werden.
Ich hielt meinen Kopf gesenkt und wollte in der Menge verschwinden.
Aber gerade als ich dachte, dass ich es geschafft hatte, hörte ich sie – eine helle, vertraute Stimme, die meinen Kokon des Elends durchbrach.
"Samantha! Hey, bist du das?"
Ich erstarrte und spannte die Schultern an. Ich kannte diese Stimme.
Bevor ich entkommen konnte, eilte meine beste Freundin Miley auf mich zu, ihre blonden Locken wippten wie die Sonne und ihr Gesicht glühte vor Sorge.
"Oh mein Gott, Sam!" Ihre Augen weiteten sich, als sie mein tränenüberströmtes Gesicht betrachtete.
"Wer hat dir das angetan? Wurdest du überfallen oder so?"
"Nein", flüsterte ich und wischte mir schnell mit dem Ärmel meines Pullovers über die Augen.
"Ich bin einfach nur aufgestanden. Schon wieder."
Miley schüttelte traurig den Kopf und zog mich sanft in eine Umarmung.
Ihr Parfüm duftete nach Vanille und Blumen, tröstlich und vertraut.
"Komm schon", sagte sie sanft und legte ihren Arm um meinen.
"Komm, wir machen dich sauber."
Sie führte mich vorsichtig zum Badezimmer und drückte beruhigend meinen Arm.
Drinnen ließen die hellen Lichter meine geschwollenen Augen noch schlimmer aussehen.
Miley reichte mir ein Taschentuch und beobachtete, wie ich versuchte, mein ruiniertes Make-up zu richten.
"Vergiss diese Online-Fieslinge, Sam", schimpfte sie sanft.
"Du verdienst jemand viel besseren."
"Klar", seufzte ich bitter und schaute auf mein unordentliches Spiegelbild.
"Aber wo genau soll ich ihn finden?"
Mileys blaue Augen funkelten plötzlich, und ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht.
Sie griff eifrig in ihre Handtasche und zog eine kleine, bunte Karte heraus.
"Eigentlich", verkündete sie aufgeregt und schwenkte die Karte wie eine kleine Fahne, "habe ich genau das Richtige."
Das Café, das Miley empfohlen hatte, war eigenartig.
Sanfte Lichter hingen wie kleine Sterne von der Decke und warfen sanfte Schatten auf die hellen Wände.
Jeder Tisch hatte einen dünnen, hauchdünnen Vorhang zwischen zwei Stühlen, der die Gesichter verbarg.
Mein Herz pochte in meiner Brust, als ich nervös auf die verschwommenen Umrisse des Fremden starrte, der mir gegenüber saß.
"Hallo?", seine Stimme drang durch den Vorhang, warm und beruhigend wie frisch gebackene Kekse.
"Hallo", flüsterte ich mit zittriger, aber hoffnungsvoller Stimme.
Er gluckste leise.
"Ich würde dir ja ein Kompliment machen, aber ich kann dich ja nicht wirklich sehen."
Sein Scherz entspannte mich und machte es mir leichter zu atmen. Ich lächelte in mich hinein, auch wenn er es nicht sehen konnte.
"Also, deine Stimme ist schön", sagte ich und fühlte mich mutiger.
"Danke", antwortete er sanft. "Und du riechst fantastisch."
Ein Lachen brach aus meinem Mund, bevor ich es unterdrücken konnte.
"Ich schätze, wir müssen uns heute Abend auf unsere anderen Sinne verlassen."
Wir unterhielten uns so locker, als ob wir uns schon ewig kennen würden.
Er erzählte mir, wie er Blindenhunde ausbildet und wie sie Menschen helfen, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden.
Seine Leidenschaft wärmte mich von innen heraus und brachte mich dazu, Dinge zu erzählen, die ich noch nie jemandem erzählt hatte.
"Ich schreibe gerne Geschichten", gestand ich mit leiser Stimme.
"Liebesromane, um genau zu sein."
"Wirklich?" Er klang aufrichtig interessiert.
"Ich würde gerne mal einen lesen."
Ich wurde rot und war dankbar, dass er die Röte auf meinen Wangen nicht sehen konnte.
"Ich verspreche es", antwortete ich und fühlte mich durch seine Ermutigung ermutigt.
Die Stunden vergingen wie im Flug und als es endlich Zeit war zu gehen, schlug mein Herz nervös.
Wir beschlossen, uns draußen zu treffen, weg vom Vorhang.
Als ich aufstand, mischten sich Aufregung und Angst in mir.
Alles an diesem Abend fühlte sich perfekt an – vielleicht sogar zu perfekt.
Ich atmete tief durch und war bereit, mich dem nächsten Moment zu stellen, was auch immer er bringen würde.
Als ich in die Nacht hinaustrat, blieb mir der Atem stockend im Hals stecken.
Ich sah ihn näher kommen, sein Schatten wurde mit jedem Schritt im Schein der Straßenlaterne deutlicher.
Mein Herz blieb kalt und mein Magen verdrehte sich zu einem schmerzhaften Knoten.
"Oh Gott, nein", flüsterte ich. Ich fühlte mich, als hätte man mich geohrfeigt, und der Schock ließ mich schwindelig werden.
"Samantha?" Er erstarrte und seine braunen Augen weiteten sich vor Überraschung.
"Ich bin's… Leo."
Panik schoss durch meinen Körper und ließ meine Beine schwach werden. Leo Petersen.
Der Name brannte in meinen Gedanken und weckte Erinnerungen, die ich so sehr versucht hatte, zu verdrängen – Erinnerungen an Peinlichkeit und Schmerz.
Leo war der erste Junge, dem ich je mein Herz anvertraut hatte, und er hatte es ohne zu zögern zerbrochen.
"Ich muss gehen", stammelte ich und drehte mich schnell um.
Doch bevor ich weglaufen konnte, griff seine Hand sanft nach meinem Handgelenk und hielt mich fest.
Seine Berührung war sanft, fast vorsichtig, aber ich zuckte zusammen, als würde er mich verletzen.
"Warte! Bitte, Sam", flehte er, und seine Stimme zitterte vor Aufrichtigkeit.
Wut stieg plötzlich in mir auf und verdrängte meine Angst.
"Warum?" schnappte ich und spürte, wie meine Stimme zitterte.
"Hast du mich beim ersten Mal nicht schon genug in Verlegenheit gebracht?"
Leos Gesicht verfinsterte sich und Bedauern trübte seine Augen.
Ich sah den Schmerz darin, tiefer und schwerer, als ich erwartet hatte.
"Sam, ich war damals ein Idiot", sagte er leise.
"An dem Abend beim Abschlussball wollte ich dich wirklich nehmen. Ich schwöre es."
Ich kämpfte, um die Tränen zurückzuhalten.
Sie füllten trotzdem meine Augen, heiß und beschämend.
"Warum hast du dann gelacht? Warum hast du allen erzählt, dass ich nur ein Scherz war?"
Meine Stimme brach und erinnerte mich an die Demütigung, die ich empfunden hatte, als ich allein dastand und das grausame Lachen der anderen hörte.
Er senkte den Kopf, sein dunkles Haar fiel nach vorne, während Scham sein Gesicht färbte.
"Weil ich jung und verängstigt war, Sam. Die anderen Jungs hänselten mich, weil ich das Mädchen mochte, das sich immer hinter Büchern versteckte. Ich war schwach. Zu schwach, um für dich einzustehen. Jetzt weiß ich, wie falsch ich lag."
Meine Tränen flossen jetzt offen, unaufhaltsam und roh.
"Du hast etwas in mir zerbrochen, Leo", flüsterte ich schmerzhaft, jedes Wort schwer von jahrelang verborgenem Kummer.
"Ich weiß", antwortete er leise und klang genauso unglücklich wie ich mich fühlte.
"Glaube mir, Sam. Ich habe Jahre damit verbracht, mir zu wünschen, ich könnte es in Ordnung bringen.
Ich habe mir so oft vorgestellt, dich zu finden und mich zu entschuldigen."
Ich musterte sein Gesicht und suchte nach Anzeichen dafür, dass er lügt, aber alles, was ich sah, war echte Traurigkeit.
Mein Herz schwankte zwischen Wut und etwas anderem – vielleicht Hoffnung.
Konnte sich Leo wirklich geändert haben? War es überhaupt möglich, eine so tiefe Wunde zu heilen?
Die Stille zwischen uns wurde schwer, gefüllt mit all den Worten, die wir nicht gesprochen hatten.
Leo ließ sanft mein Handgelenk los und gab mir die Freiheit, zu gehen.
Aber aus irgendeinem Grund lief ich dieses Mal nicht weg.
Ich blieb und fragte mich, ob ich ihm jemals Vergebung anbieten könnte.
Langsam hob Leo seine Augen und sah mir wieder in die Augen.
Sie waren jetzt weicher, demütig und flehend.
"Bitte", sagte er leise, "gib mir eine Chance, dir zu zeigen, dass ich nicht mehr der ängstliche Junge bin."
Wir standen schweigend unter dem sanften Schein der Straßenlaternen.
Das leise Brummen der vorbeifahrenden Autos und das entfernte Geschnatter der Leute verblassten, bis ich nur noch meinen Herzschlag hörte, der laut in meinen Ohren widerhallte.
Erinnerungen schwebten zwischen uns, schwer und unruhig, wie Geister, die sich nicht zur Ruhe setzen wollen.
Leos Augen waren groß und voller Dringlichkeit, er suchte verzweifelt in meinen nach einem Zeichen – einem kleinen Hinweis auf Vergebung.
Schließlich sprach er und seine Stimme zitterte ein wenig.
"Ich habe nie aufgehört, an dich zu denken", gab er leise zu.
"Bei jedem Date, das ich hatte, habe ich sie mit dir verglichen."
Mein Herz hüpfte nervös. Es fühlte sich so seltsam an, diese Worte von Leo zu hören, dem Jungen, der mich einst so tief verletzt hatte.
Ich schüttelte langsam den Kopf und spürte, wie in mir ein Kampf zwischen Unglauben und der winzigen Hoffnung tobte, die wieder aufsteigen wollte.
"Du erwartest, dass ich das glaube?" fragte ich mit vorsichtiger Stimme.
"Nein", antwortete Leo leise und senkte seinen Blick auf den Bürgersteig.
"Aber ich hoffe, du lässt mich dir wenigstens zeigen, dass ich mich verändert habe. Ich bin erwachsen geworden, Samantha. Ich bin nicht mehr der Feigling, der ich damals war."
Seine Worte erreichten einen Ort in mir, den ich vor langer Zeit verschlossen hatte.
Eine sanfte Wärme flackerte auf, und ich fragte mich im Stillen, ob Menschen wirklich besser werden können – ob Fehler korrigiert und Herzen wiederhergestellt werden können.
"Woher weiß ich, dass du die Wahrheit sagst?"
flüsterte ich und brauchte eine Bestätigung, obwohl eine kleine Stimme in meinem Inneren mich dazu drängte, ihm zu vertrauen.
Leo trat einen Schritt näher, streckte vorsichtig die Hand aus und berührte sanft meinen Arm.
Seine Finger waren warm, tröstlich und doch vorsichtig.
Seine Augen waren aufrichtig und offen und zeigten eine Verletzlichkeit, die ich bei ihm noch nie gesehen hatte.
"Ein weiteres Date?", fragte er sanft.
"Ohne Vorhänge oder Schatten. Lass mich mich beweisen."
Jede Angst in mir schrie nein. Aber unter diesem Geräusch flüsterte mein Herz leise: "Was wäre wenn?
Das Café schien dieses Mal heller zu sein. Leo saß mir gegenüber, seine Augen warm und aufrichtig, keine Schatten zwischen uns.
"Also", begann ich nervös, während ich mit den Fingern auf meinem Kaffeebecher herumfuchtelte, "du hast wirklich Blindenhunde ausgebildet?"
Er lachte leise, und das beruhigte meine Nerven sofort.
"Ja. Nachdem ich dich verletzt hatte, brauchte ich etwas Sinnvolles in meinem Leben. Etwas, das mir hilft, wieder klar zu sehen."
Ich sah ihn genau an und bemerkte, dass er aufrichtig war und nicht mehr der eingebildete Junge von früher. "Hat es geholfen?"
Leo lehnte sich näher heran, seine Stimme war sanft.
"Dich wieder zu treffen hat mir gezeigt, wie viel ich noch in Ordnung bringen muss. Samantha, du hast etwas Besseres verdient. Das hattest du immer."
Ich spürte, wie Wärme in mir aufblühte und Jahre des Schmerzes dahinschmelzen ließ.
"Vielleicht brauchten wir beide diese schreckliche Nacht, um zu wachsen."
"Vielleicht", stimmte er zu und suchte meine Augen.
"Aber jetzt würde ich gerne den Rest meines Lebens damit verbringen, es wieder gut zu machen.
Ich lachte leise, mein Herz war endlich frei.
"Eine gewagte Aussage für ein zweites Date."
"Ich meine es ernst", murmelte er und nahm sanft meine Hand.
"Ich habe Jahre damit verschwendet, Angst davor zu haben, was andere denken. Ich werde keine weitere Minute damit verschwenden, Angst vor meinen Gefühlen für dich zu haben."
"Gut", neckte ich sanft, "denn ich habe vielleicht ein paar Voodoo-Zaubersprüche gelernt."
Leo lachte und die Wärme in seinen Augen ließ meine letzten Zweifel dahinschmelzen.
"Ich verspreche, dir keinen Grund zu geben, sie zu benutzen."
Draußen schien die Welt neu zu sein.
Schatten machten mir keine Angst mehr – nicht mit Leo an meiner Seite und dem Licht eines Neuanfangs, das hell vor mir leuchtete.
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